An dieser Stelle soll der Neubau der Stadtverwaltung entstehen (Foto: Holger Kosbab)

Wofür reicht das Geld der Stadt noch?

Auch wenn die Einnahmen gerade stark schrumpfen, wollen die meisten Kandidaten für den Chefposten im Rathaus auf Investitionen nicht verzichten. Dabei setzen sie allerdings durchaus unterschiedliche Prioritäten.

Paderborn (Hans-Hernann Igges)

Bereits die Verabschiedung des aktuellen Haushalts warf erste Schatten auf die Lage der städtischen Finanzen: Ein Defizit von über 12 Millionen Euro stand in den Büchern – und das mit der Aussicht auf mittelfristig wachsende Schulden. Dennoch sprudelten immerhin die Steuerquellen fast unvermindert weiter.

Doch dann kam Corona. Seitdem verdüsterten sich die Aussichten, ohne dass schon völlige Klarheit über Kontostände am Ende des Jahres herrschen würde. Um 28,4 Millionen Euro wird nach der letzten Schätzung aus dem Juni allein das Gewerbesteueraufkommen schrumpfen. Eingeplant waren 92,4 Millionen Euro im Paderborner Haushalt. Gleichzeitig sind Hilfen in jedoch noch unbestimmter Höhe durch das Corona-Konjunkturpaket von Bund und Ländern zu erwarten.

Wir fragten die Kandidatin und die Kandidaten für das Amt des Bürgermeisters bei der Kommunalwahl am 13. September, auf welche konkreten für Paderborn geplanten Projekte ihrer Meinung nach in dieser Lage verzichtet werden kann. Und auf welche in keinem Fall.

 

MICHAEL DREIER (CDU):

Der Amtsinhaber hält Ausgaben für die Bereiche Jugend einschließlich der Kitas, Schuleund Soziales für unverzichtbar. Andere Projekte sollten nicht grundsätzlich gestoppt, aber überprüft und priorisiert werden. Welche Projekte dabei hinten anstehen könnten – darauf legt sich Dreier dabei aktuell jedoch nicht fest. Auf der einen Seite müsse die Stadt auch als Motor der heimischen Wirtschaft investieren, gleichzeitig dürfe man im Sinne nachfolgender Generationen nicht überziehen – ein Spagat.

Beispiele nachhaltiger, langfristig angelegter Politik seien für ihn die Investitionen in die neue Stadtverwaltung, den Hauptbahnhof und die neue Zentrale Omnibushaltestelle, um die Frequenz des ÖPNV deutlich zu erhöhen. Dreier bekennt sich zudem zum Ziel einer Klimaneutralität der Stadt bis 2035 und den Ausbau der Digitalisierung.

 

MARTIN PANTKE (SPD):

Für den Kandidaten der SPD kommen generell Kürzungen im sozialen, kulturellen und sportpolitischen Bereich nicht in Frage.

Auch ein Verzicht auf das neue Stadthaus sei nicht sinnvoll, da eine gut funktionierende Verwaltung mit modernstem Standard im Interesse aller sei, was sich in der Corona-Krise gezeigt habe.

Für vordringlich hält er auch den Umbau der Kulturwerkstatt. Inwieweit überhaupt auf geplante Projekte verzichtet werden müsse, sei derzeit unklar.

Pantke setzt auf massive Hilfen von Bund und Land, um die krisenbedingten Ausfälle bei der Gewerbesteuer und beim Nahverkehr zu ersetzen.

 

KLAUS SCHRÖDER (GRÜNE):

Nach Ansicht des Bürgermeister-Kandidaten der Grünen muss sich jedes städtische Projekt daran messen lassen, „ob es notwendig ist, um Paderborn als funktionierende und attraktive Stadt zu erhalten“. Das gelte auch in Corona-Zeiten. Schröder: „Im Angesicht der Krise beschlossene Projekte zu stoppen, schürt Verunsicherung und setzt ein fatales Signal. Investitionen in Bildung, Digitalisierung, Klima, Energie, Mobilität und Wohnen sind Investitionen in die Zukunft. Wenn in 30 Jahren das einzig Schöne an Paderborn das Bankkonto ist, dann haben wir etwas falsch gemacht.“

 

ELKE SÜSSELBECK (DIE LINKE):

Die Kandidatin der Linken weist auf zusätzliche Mittel für Digitalisierung, ÖPNV, Sportstätten, Sozialkosten und einen Ausgleich für die Ausfälle der Gewerbesteuer durch das Corona-Konjunkturpaket des Bundes hin. Deshalb sei es nicht notwendig, auf geplante Projekte zu verzichten. Dies verschärfe im Gegenteil das Risiko einer Wirtschaftskrise. Es gelte, langfristig zu denken und sich nicht vom Kurs abbringen zu lassen. Im Übrigen werde es Zeit, die hohen Vermögen in Deutschland für die Bewältigung der Krise heranzuziehen.

 

ALEXANDER SENN (FDP):

Auch der Bürgermeister-Kandidat der Liberalen nennt keine konkreten Projekte, die nun verzichtbar wären. Es seien weniger die „zwei bis drei großen Leuchtturmprojekte, die unsere Finanzen belasten“, als vielmehr „eine große Anzahl“ kleinerer „nice to have“-Ausgaben. Nötig sei ein „ehrlicher Diskurs“ darüber, was man sich leisten wolle und müsse „und welche Aufgaben die Stadt überhaupt in unserer Gesellschaft übernehmen“ solle, wünscht sich Senn eine Diskussion.

 

HARTMUT HÜTTEMANN (FBI/FREIE WÄHLER):

Vorrang sollten Ausgaben für Schule und Bildung haben, meint auch Hartmut Hüttemann, der ansonsten aber dafür plädiert, „alle aktuellen Projekte“ auf den Prüfstand zu stellen. Das geplante Stadthaus hält er für überdimensioniert, ein Veranstaltungsgelände bei Mönkeloh sei überflüssig, die Neugestaltung der Pader ein „Luxus, den man sich nur leistet, wenn man das nötige Kleingeld hat“. Wichtig und richtig sei allerdings die neue gemeinsame Wache von Polizei und Feuerwehr.

 

STEPHAN HOPPE (FÜR PADERBORN):

Corona habe gezeigt, wie viel Homeoffice möglich sei. Damit sei der geplante Verwaltungsneubau „noch überdimensionierter, als er es vor einem Jahr ohnehin schon war“. Ansonsten gelte es, gerade jetzt verstärkt zu investieren, etwa in die Wohnungsgesellschaft. Schulen und andere öffentliche Gebäude bräuchten ein „Hygieneupdate“, plädiert Hoppe gerade in Pandemie-Zeiten für mehr Waschräume und Toiletten. Die Überplanung der Kasernenflächen müsse schneller gehen, indem man mehr auf eigenes Wissen statt auf teure Wettbewerbe unter Externen setze. Auch neue und thematisch organisierte Technologieparks würden gebraucht.

 

MARVIN WEBER (AFD):

Der AfD-Kandidat lehnt den Neubau von Stadthaus sowie Hauptbahnhof nebst Parkhaus in Anbetracht der Finanzprognosen als „unverantwortliche Gigantonomie“ und „billigste Populismusprojekte“ ab. Der bestehende Bahnhof reiche für An- und Abreisezwecke. Auch der Verwaltungsneubau sei nicht nötig, weil die „Digitalisierungsinitiative verwaltungstechnische Freiräume“ schaffe.

 

VERANI KARTUM (VOLT):

Wegen der unklaren Finanzlage ist Verani Kartum für eine Verschiebung des Stadthaus-Projektes „auf unbestimmte Zeit“. Vorrang hat für ihn als „Motor in der Krise“ die Nutzung der Konversionsflächen, „damit unsere heimische Wirtschaft gefördert und der Wohnungsnotstand abgemildert werden kann“. Förderung der Gastronomie und mehr Vergnügungsstätten für junge Menschen stehen für ihn zudem ganz oben an.

 

(Neue Westfälische 22.08.2020)