Im Historischen Rathaus tagt die Ratsversammlung. Derzeit besteht sie aus 64 politischen Vertretern aus neun Parteien und Gruppierungen. FOTO: HANS-HERMANN IGGES

Der Kampf ums Rathaus beginnt

Hans-Hermann Igges

Zu Anfang des Kommunalwahljahres sortieren sich die Parteien. Das Feld der Bewerber für den Rat wird wohl noch einmal größer. Wer gegen den amtierenden Bürgermeister kandidiert, ist eine der spannenden Fragen.

 

Verlieren CDU und SPD an Zustimmung? Geht der Höhenflug der Grünenweiter? Und: Werden demnächst vielleicht noch mehr Kleinstparteien das Polit-Potpourri im Rathaus anreichern?
Die Ausgangssituation könnte spannender nicht sein, wenn am 13. September die Bürgerinnen und Bürger an die Wahlurnen gebeten werden. Es gilt nämlich, für die nächsten
fünf Jahre die Weichen zu stellen, Stadräte und Kreistag,Bürgermeister und Landrat zu
wählen. Die Vorbereitungen dafür beginnen gerade, Parteien und Gruppierungen arbeiten an Programmen und stellen Listen zusammen.

 

Gemeinsamer Kandidat nicht in Sicht

Zwar gilt der vor sechs Jahren mit satten 59 Prozent zum Bürgermeister gewählte Michael Dreier (CDU) auch diesmal als Favorit für den Chefsessel im Paderborner Rathaus. Dennoch machen sich seit der Entscheidung des Verfassungsgerichts des Landes NRW zur Beibehaltung der Stichwahl insbesondere Vertreter anderer Parteien wieder Hoffnungen, dass Dreier im ersten Wahlgang die nötige absolute Mehrheit verfehlen könnte, im Sog möglicher Stimmenverluste der CDU. Dann würden 14 Tage später die Karten neu gemischt. Ohne echte Mehrheitskoalition wie schon seit dem Bruch des CDU/FDP-Bündnisses im Rat üblich, wird wohl auch der nächste Bürgermeister auf die Unterstützung mehrerer Fraktionen angewiesen sein. Fragt sich nur, zu welchem politischen Preis.

 

2014 hatten sich SPD, Grüne und die damalige DIP (Demokratische Initiative, heute Linksfraktion/Offene Liste) noch auf einen gemeinsamen Bürgermeister-Kandidaten verständigen können, nämlich den damals gerade ausgeschiedenen Polizeichef Andreas Krummrey. Ähnliches scheint bereits zum ersten Wahlgang diesmal eher unwahrscheinlich. Dennoch wird intern und auch Partei übergreifend darüber geredet, ist von allen Seiten zu hören. Dagegen spreche, dass ohne eigene Bürgermeister- Kandidatendie öffentliche Wahrnehmung einer Partei leide. Bei den Grünen, die mit mächtig viel Rückenwind aus der Europawahl, als sie in der Kernstadt Paderborn erstmals stärkste Kraft wurden, in den Wahlkampf starten, heißt es: „Ende Januar werden wir wohl wissen, in welche Richtung der Hase läuft.“ Bis Ende Februar will die SPD die Kandidatenfrage für sich gelöst haben. Am Ende könnte es bei beiden auf eine oder einen eigenen Kandidaten hinauslaufen, vorzugsweise dann aus den Reihen der profilierten Ratsvertreter.

 

Ihre grundsätzliche Entscheidung hat dagegen die FBI (Freie Bürgerinitiative – Freie Wähler) schon gefunden. Ihr Fraktionschef Hartmut Hüttemann, der schon 2014 als Bürgermeister kandidierte und damals mehr als 5 Prozent holte, sagt: „Wir werden auf jeden Fall wieder einen eigenen Bürgermeister-Kandidaten aufstellen. Sonst würden uns viele übersehen.“ Er selbst wolle diese Person zwar eigentlich nicht sein, stehe aber zur Not zur Verfügung. Klar sei jedoch auch, dass die FBI wieder in allen 29 Paderborner Wahlbezirken antrete.

 

Das wiederum ist eine echte Hürde für Kleinstparteien. „Für Paderborn“ und LKR (Liberal-Konservative Reformer) müssen als politische Vereinigungen, die sich erst im Laufe der Legislatur im Rat formiert haben und als solche bisher auch nicht in andere Parlamente gewählt wurden, zunächst 100 Unterschriften von wahlberechtigten Bürgern für die Reserveliste und zehn Unterschriften für jeden Kandidaten in jedem Stimmbezirk sammeln, bevor sie antreten dürfen.

 

Tatsächlich haben politisch Interessierte inzwischen reichlich Auswahl, wenn sie mitmischen wollen. So haben bereits ebenfalls lokale Ableger der Europa-freundlichen „Volt“-Bewegung, der Satire-Partei „Die Partei„ und der konservativ-grünen ÖDP (Ökologisch Demokratische Partei) in Paderborn auf sich aufmerksam gemacht. Ob sie den Sprung auf den Wahlzettel schaffen, wird sich zeigen.

 

AfD bewirbt sich nicht um höchste Ämter

Außerdem will auch die AfD wieder an den Start. Mit 3,5 Prozent hatte sie 2014 zwei Ratsmandate gewonnen; doch den beiden Vertretern war die eigene Partei kurz danach zu sehr nach rechts gedriftet, so dass sie inzwischen als LKR firmieren. AfD-Kreisvorsitzender Franz-Josef Tegethoff: „In anderen Kommunen haben wir noch Probleme, aber in Paderborn streben wir an, alle Wahlbezirke zu besetzen. Einen eigenen Bürgermeister- Kandidaten werden wir aber, so der aktuelle Stand, nirgendwo im Kreis aufstellen.“

 

Die Chancen, sich nach dem Wählervotum tatsächlich im Rat wiederzufinden, sind speziell für die Frontleute der Kleinstparteien jedoch insgesamt gar nicht schlecht, nachdem es auf kommunaler Ebene keine Sperrminorität mehr gibt. So reichten den Piraten vor sechs Jahren bei insgesamt 53.520 gültigen Stimmen 619 Voten für ein Mandat. Der politische Freibeuter fand jedoch schnell keinen Gefallen am Einzelkämpferschicksal und schloss sich der Linksfraktion an.

 

KOMMENTAR
Wahlkampfthema Stadtverwaltung
Hans-Hermann Igges

Was wird Thema im Kommunalwahlkampf 2020 in Paderborn? Ob Wohnungsbau oder Radwege, Nahverkehr oder Kinderbetreuung – lokale Gestaltungsfelder gibt es reichlich. Man muss kein Hellseher sein, auch der Bau einer neuen Stadtverwaltung und die darüber von den Kritikern gestellte Frage massiver Verschuldung wird dazu zählen, ob bis dahin beschlossen oder nicht. Schließlich wurde das Feld dafür schon im letzten Jahr vor allem von den kleinen Fraktionen im Rat mit der Sammlung von 8.000 Unterschriften publikumswirksam beackert. Einfluss wird aber auch die bundespolitische Großwetterlage haben. Sinkt das Ansehen der Groko weiter, wird man das auch in Paderborn merken.
hans-hermann.igges@ihr-kommentar.de

(Neue Westfälische 12.01.2020)