Kommune im Finanzkorsett
Haushalt 2017: Der Etat für das nächste Jahr löst zwar keine Jubelstürme aus, findet aber seine Mehrheit.Das Zahlenwerk gelingt nur durch den Griff in die vorletzten Ausgleichsrücklagen
Von Hans-Hermann Igges
Paderborn. Der Haushalt 2017 für die Stadt Paderborn ist unter Dach und Fach. Pünktlich zum Jahresende verabschiedete gestern Abend der Stadtrat mit den Stimmen von CDU, FDP und ALFA das Zahlenwerk mit einem Volumen von einer knappen halben Milliarde Euro. Dagegen votierten SPD, Grüne, Demokratische Initiative (DIP) und Freie Wähler /Freie Bürger-Initiative (FBI). Gegenüber dem Entwurf bei der Einbringung im September verringert sich das Defizit von 17,3 auf 15,1 Millionen Euro, in der Ausgleichsrücklage bleiben nun nur noch 5,8 Millionen Euro. Insgesamt werden fast 21 Millionen Euro neue Kredite aufgenommen. Steuern und Gebühren werden aber nicht erhöht. Nach den eingehenden Beratungen der Vorwochen nutzten die Fraktionen die Verabschiedung zu Stellungnahmen der grundsätzlichen Art.
CDU
CDU-Sprecher Markus Mertens legte den Fokus aufs Defizit: "So kann und darf es in den kommenden Jahren nicht weitergehen." Bei den im Vergleich zum Entwurf erzielten Einsparungen handele es sich
"zugegebenermaßen vor allem um Verschiebungen". Beängstigend seien immer höhere Umlagen von Kreis und Landschaftsverband, auch wenn hier der Kreis zuletzt ein kleines Entgegenkommen realisierte.
Mertens übte in diesem Zusammenhang harsche Kritik an Bund und Land: "Dass im Bund schwarze Zahlen geschrieben werden, die Kommunen aber, die am Ende der Finanzkette stehen, immer tiefer in die roten
Zahlen rutschen, kann man überhaupt nicht akzeptieren." Das sage er auch in Richtung der CDU in Berlin. Gleiches treffe auf die Landesregierung zu, die immer mehr Aufgaben an die Kommunen
weiterreiche. Das aktuelle Bauprogramm "Gute Schule 2020" bedeute schließlich nur eine Verlagerung von Schulden auf die Kommune; jahrelang habe das Land es versäumt, die Kommunen als Schulträger
ausreichend auszustatten. Die Umsetzung der vielen bereits geplanten Bauprojekte in der Stadt dauere jedenfalls lange - das müsse man in der Bürgerschaft entsprechend kommunizieren. Steuern und
Gebühren werde man nur im "äußersten Notfall" dafür erhöhen.
SPD
Eben jenes Landesprogromm "Gute Schule 2020" war für SPD-Sprecher Franz-Josef Henze Grund, von einer "massiven Unterstützung des Landes" in Höhe von jährlich 3,7 Millionen Euro zu sprechen. Er hielt
Bürgermeister Michael Dreier seinen eigenen Anspruch bei Amtsantritt vor, sich an einem ausgeglichenen Haushalt messen lassen zu wollen. Mehr denn je sei eine Politik gefragt, die Impulse für eine
mittelfristige Entwicklung setzte und kreative Lösungen finde. Vorhandene und im Zuge der Konversion noch zu entwickelnde Flächen böten jedenfalls eine gedeihliche Grundlage. Dringend zu klären seien
die Zukunft der Flächen an der Florianstraße und die Umgestaltung des Bahnhofs, am Abdinghof sei ein weiterer Standort der Stadtbibliothek gut vorstellbar. Henze brach nochmals auch eine Lanze für
genossenschaftliche Beteiligungsmodelle im Wohnungsbau und eine Immobilienverwertungsgesellschaft in kommunaler Trägerschaft. Auch die Abschaffung von Nutzungsgebühren in den Museen bleibe für die
SPD auf der Agenda. Insgesamt werde an den falschen Stellen gespart.
Bündnis 90/Die Grünen
Auch Petra Tebbe als Sprecherin der Grünen machte sich für Museen ohne Eintritt stark. Aktuell blieben Besucher fern - das könne nicht Zweck eines Museums sein. Sie umriss die Defizite aus grüner
Sicht: Der Verzicht auf mehr Solarenergie auf städtischen Gebäuden sei rein ideologisch begründet, zu einer spürbaren Förderung des Radverkehrs sei die CDU nicht bereit, und die Quartiersarbeit
gehöre hauptamtlich koordiniert. Ausdrücklich bedankte sie sich bei den vielen Ehrenamtlichen in der Stadt für ihr Engagement in der Flüchtlingsarbeit. Sie plädierte an alle Ratskollegen, durch
transparente und bürgernahe Arbeit Populisten das Wasser abzugraben.
Demokratische Initiative
Zu Fundamentalkritik holte Reinhard Borgmeier, Sprecher der DIP, aus. Der Haushalt sei geprägt von einem "tief sitzenden Unverständnis von den eigentlichen Ursachen der kommunalen Finanzmisere". Auch
er habe kein Verständnis für "Finanztricks" im Rahmen des Programms "Gute Schule 2020", mit dem das Land Schulden - allerdings nur formal - auf die Kommune verschiebe. Borgmeier: "Es wäre ehrlicher,
die Schuldenbremse abzuschaffen, da sie unsere Zukunft gefährdet." Die Gefahr für den gesellschaftlichen Zusammenhalt, die von immer mehr Armut auch in Paderborn ausgehe, werde völlig verkannt. Das
aktuelle Erstarken der Rechtspopulisten sei direkte Folge der neoliberalen Politik der letzten Jahrzehnte, die Millionen Menschen in prekäre Verhältnisse gebracht habe.
FDP
Dominic Gundlach, Sprecher der Liberalen, prangerte vor allem die Finanzpolitik des Landes an. Den Kommunen würden Mittel des Bundes für die Integration der Flüchtlinge vorenthalten. Aktuell fehlten
für die Unterbringungskosten 5 Millionen Euro, die die Stadt vorgestreckt habe. SPD und Grünen im Rat falle dazu nur "Schönrednerei" ein. Auch die Ausgaben für gemeinsames Lernen von behinderten und
nichtbehinderten Kindern würden von der Stadt getragen - bei gleichzeitiger Aufgabe landesfinanzierter Förderschulen. Trotz all dieser Belastungen habe man mit der CDU wichtige Entscheidungen
(Stadtverwaltung, Stadtwerke, Königsplätze) auf den Weg gebracht, ohne an der Steuerschraube zu drehen. Auch die wirtschaftliche Entwicklung lasse darauf hoffen, dass Paderborn in Zukunft "eine der
deutschen Top-Adressen für innovative Unternehmensgründungen" werde. Das Defizit trage man "schweren Herzens" mit.
FBI
Hartmut Hüttemann, Sprecher der Fraktion Freie Wähler / Freie Bürgerinitiative, wiederholte seine bereits in den Beratungen geäußerte Kritik an seiner Meinung nach zu großzügiger Personal- und
Sachkostenplanung. Das strukturelle Defizit sei nur durch Einsparungen und höhere Einnahmen auszugleichen.
Auch er hege die Befürchtung, dass Bund und Land die Kommunen auf "rund einem Drittel der Kosten" für die Flüchtlinge sitzen ließen. Deren Aufenthaltsstatus sei in vielen Fällen noch nicht geklärt, "ein unhaltbarer Zustand für die Betroffenen und die Städte".
Hüttemann: "Es muss schneller entschieden, schneller integriert und schneller zurückgeführt werden, nur so kann eine größere Akzeptanz erreicht werden."
In der Diskussion um die Zukunft der Stadtverwaltung am Standort Abdinghof plädierte Hüttemann unbedingt dafür, dass das Areal vollständig im Besitz der Stadt bleiben solle.
ALFA
Zustimmung zum Etat äußerte ALFA-Sprecher Johannes Willi Knaup. Er hielt seine Rede kurz. Sein Kommentar zum Etatentwurf: "Nach diesen Zahlen scheint die Entwicklung der Stadt enkeltauglich zu
sein."
(Neue Westfälische 16.12.16)