Tivoli-Freikarten: Rat ist beschlussunfähig

Eigentlich sollte über kostenlose Tickets für Familien beraten werden.

Doch es kommt anders.

Paderborn

Schon im Vorfeld gab es Unmut seitens einiger Fraktionen über die kurzfristig einberaumte Sondersitzung des Stadtrates mitten in der Sommerpause. Zwar waren rund 20 Ratsmitglieder anwesend, aber der Rat dennoch nicht beschlussfähig. Wie konnte es dazu kommen?
 

Grüne und Für Paderborn hatten beantragt, dass die Stadt 2.500 Freikarten für das Tivoli Wunderland an von der Corona-Krise besonders betroffene Kinder und Jugendliche ausgeben solle. Weil der temporäre Freizeitpark bei der nächsten regulären Ratssitzung schon kurz vor seinem Ende gestanden hätte, war die Sondersitzung notwendig geworden.

Zu Beginn der Sitzung forderte dann Hartmut Hüttemann von der Fraktion FBI Freie Wähler Bürgermeister Michael Dreier auf, die Beschlussfähigkeit des Rates zu prüfen. Nach kurzer Beratung mit den Fraktionsvorsitzenden musste Dreier feststellen, dass diese nicht gegeben war. Denn in seiner letzten Sitzung hatte Dreier angekündigt, nicht mehr wie bisher in verkleinerter Form zu tagen, sondern wieder in seiner regulären Größe mit 64 Ratsmitgliedern. Um die Schutzmaßnahmen angesichts der Corona-Pandemie einhalten zu können, tagte der Rat zuletzt mehrfach in der Größe nur etwa eines Drittels seines Normalzustandes. Die nächste Sitzung werde nun definitiv in großer Runde abgehalten, kündigte Dreier an: „So etwas habe ich noch nicht erlebt.“ Markus Mertens, Fraktionsvorsitzender der CDU, sprach von einem „traurigen Schauspiel“. Alexander Senn, Fraktionsvorsitzender der FDP, sagte: „Das Bild, das wir hier als Kommunalpolitiker abgeben, ist unsäglich.“ Wann die nächste Ratssitzung stattfinden wird, war am Abend noch nicht bekannt.

ZWISCHENRUF

Rat nicht beschlussfähig

War das nötig?
Lena Henning

 

Es war eine unerwartet kurze Sitzung am Mittwochabend, mit der viele Ratsmitglieder so wohl nicht gerechnet hatten. Der Ärger war bei vielen groß, zumal es schon vorab Kritik an der Sondersitzung gab. Grundsätzlich müssen Ratsentscheidungen auf Basis der geltenden Regeln und Gesetz getroffen werden – wenn die Beschlussfähigkeit nicht vorliegt, kann der Rat das nicht einfach ignorieren.
 
Bleibt nur die Frage, warum das vorher niemandem aufgefallen ist und ob man dieses Vorgehen nicht hätte absprechen könnten.
 

(Neue Westfälische 23.07.2020)