Paderborner Perspektiven:

Vertrauen erschüttert

Für die Paderborner Kommunalpolitik gab es vermutlich noch eine entspannte, friedliche Weihnachtsfeier unmittelbar nach der Ratssitzung. Jede Menge Sitzungen im abgelaufenen Jahr, jede Menge Entscheidungen, die nicht selten Unternehmensentwicklungen beeinflussen, Wertsteigerungen von Grundstücken bedeuten oder Investitionen beflügeln, liegen hinter den Paderborner Ratsfraktionen.

Es bleiben aber immer auch unzufriedene und ob der Politik kopfschüttelnde Bürger zurück. Niemals zuvor aber musste der Rat im Angesicht von fast 50 von einer unmittelbar drohenden Kündigung betroffenen Mitbürgern eine Entscheidung treffen. Und diese ist dann auch gründlich in die Hose gegangen! Es gab doch genügend Brücken, um noch einmal alle Argumente zu sortieren und ohne Gesichtsverlust für das angestammte Unternehmen Euronics Nixdorf zu votieren, das sich durch die Zusammenlegung zweier Standorte (Grüner Weg und Dören Park) an der Senefelderstraße aus der Insolvenz retten und 50 Arbeitsplätze retten wollte. Den öffentlichen Vertrauensverlust in den Rat als Retter, der sich doch für seine Bürger einsetzen sollte, hat man wohl unterschätzt.

Gescheitert ist dieser sogar von Gutachtern und der Bezirksregierung als unschädlich für die Innenstadt bewertete Schritt letztlich an einer kaum nachzuvollziehenden Blockadehaltung von CDU, SPD und Grünen, die sich hinter dem Einzelhandels- und Zentrenkonzept verstecken. Deren Regeln hat sich die Kommunalpolitik schließlich selber gegeben. Also kann man sie auch modifizieren, könnte man meinen. Doch dazu fehlt offensichtlich der Mut. Oder man kann alte Ressentiments gegenüber dem erfolgreich auch gegen den Willen der Stadt aufgepeppten Standort Dören-Park und den dort handelnden Personen immer noch nicht verknusen. Das wäre allerdings nur eine billige Retourkutsche auf dem Buckel von Unbeteiligten.

Zu große Angst hat man vor Unternehmen, die sich auf eine positive Entscheidung für Nixdorf berufen könnten. Nur: Hier geht es nicht etwa um eine Neuansiedlung, sondern eindeutig um eine Veränderung an einem bereits bestehenden Standort. Wie viele der im Rat genannten angeblich schon vorliegenden Auslagerungsanträge von Paderborner Firmen zum Dören würden am Ende überhaupt einer solch engen Vorgabe mit sieben Prüfkriterien, wie sie Euronics erfüllt, gerecht?

Natürlich muss der Rat echten Auswüchsen entgegen treten, wenn durch innenstadtrelevante Sortimente die Peripherie weiter aufgerüstet würde zu Lasten der City. Das sollte aber das höchste Gremium in unserer Stadt nicht befreien von gesundem Menschenverstand. Jede Regel sollte auch sinnvolle Ausnahmen zulassen, sonst schafft sich der Rat eines Tages selber ab und man braucht stattdessen nur noch Kontrolleure und Abstrafer.

Es hilft den Nixdorf-Mitarbeitern auch nicht, dass man sich die Entscheidung nicht leicht gemacht habe, wie mehrfach betont wurde. Vielleicht gibt´s dann mit manchen noch ein unverhofftes Wiedersehen beim Insolvenz- Ausverkauf. Die vornehmliche Aufgabe der Politik wäre es gewesen, es gar nicht so weit kommen zu lassen. Man kann in die Fortschreibung eines Einzelhandels- und Zentrenkonzeptes auch solche Ausnahmen aufnehmen, die sich im Laufe der Zeit als Härtefälle herauskristallisiert haben. Damit hält man sich die gefürchteten Trittbrettfahrer vom Halse, denen dann immer noch der Klageweg offen bleibt.

Welche notwendigen Änderungen das Zentren-Konzept in Zukunft auch immer erfahren wird: Für Nixdorf könnte es dafür schon zu spät zu sein.

FDP und FBI wollte deshalb das traditionelle Ratsessen nicht mehr munden: Sie haben sich nach der Sitzung sofort verabschiedet, wohl auch mit Respekt vor 50 abgrundtief enttäuschten Menschen, die wenige Tage vor Heiligabend vor einer ungewissen Zukunft stehen. Einen Hoffnungsschimmer gibt es allerdings noch: Die Politik hat versprochen, nach Alternativ-Standorten Ausschau zu halten. An der ehrlichen Umsetzung dieser Zusage wird man sie messen.

(von Rüdiger Kache, Westfälisches Volksblatt 21.12.2013)