Mehrheit will für Stadthaus stimmen
FDP, FBI, FÜR und LKR strengen Ratsbürgerentscheid an
Paderborn (WV). Einen Tag vor der Entscheidung des Rates über Neubau und Sanierung der Stadtverwaltung am Abdinghof kommt erneut Musik in die Debatte.
Zwar ist sich mit CDU, SPD und Linke die deutliche Mehrheit (47 von 64 Mandaten) einig, dem Verwaltungsvorschlag zu folgen. Doch FDP, FBI, Für Paderborn und LKR wollen einen Ratsbürgerentscheid anstrengen. Sollten sie dafür keine Mehrheit bekommen, bliebe nur der Weg über ein Bürgerbegehren, für das nach Angaben des Ersten Beigeordneten Carsten Venherm rund 6000 Unterschriften nötig wären.
Der Verwaltungsneubau ist seit Jahren ein Thema mit vielen Varianten, das immer wieder heiß diskutiert wird. Kurz vor der (mutmaßlich) finalen Entscheidung haben sich gestern die vier Fraktionen vor die Medien gestellt, mit der Forderung, den Bürgern das endgültige Votum zu überlassen. Dafür scheint sich allerdings keine Mehrheit abzuzeichnen. CDU, SPD und Linksfraktion wollen den Stadthausbau morgen auf den Weg bringen.
Die Kritik der Antragsteller entzündet sich an den geplanten Kosten von insgesamt 69,5 Millionen Euro für Abriss und Neubau am Marienplatz, die Sanierung der bestehenden Gebäudeteile und die Erneuerung der anliegenden Plätze. »Das hat auch Auswirkungen auf die künftigen finanziellen Möglichkeiten der Stadt, deshalb sollen die Bürger entscheiden, ob es ihnen das wert ist«, erläutert FDP-Fraktions-chef Alexander Senn die Intention des angestrebten Ratsbürgerentscheides. Über den will Bürgermeister Michael Dreier noch vor der Stadthaus-Entscheidung abstimmen lassen.
Bürgermeister
»Die Zeit ist reif für eine Entscheidung«, erklärt Bürgermeister Michael Dreier auf Anfrage. Seit Jahrzehnten habe die Stadt das Thema auf der Agenda, der jetzige Entwurf mit Neubau am Marienplatz samt Tiefgarage, Sanierung der Gebäude am Abdinghof und Neugestaltung von Abdinghof, Marien- und Franz-Stock-Platz sei eine zukunftsweisende Lösung. Davon sei der Verwaltungsvorstand fest überzeugt. Die Fördergelder, die es für den innovativen Bürgerservice gebe, seien ein Glücksfall. Andere Vorschläge seien weder eine echte Alternative noch im Ergebnis günstiger.
CDU
»Wir werden die Vorlage der Verwaltung mittragen. Wir sind vom Innenstadt-Standort überzeugt«, sagt CDU-Fraktionschef Markus Mertens, der an den fraktionsübergreifenden Beschluss zum Architektenwettbewerb erinnert. »Wir haben den Expertenrat gewollt. Darauf müssen wir uns nun verlassen. Der Neubau wird uns städtebaulich nach vorne bringen«, sei seine Fraktion überzeugt. Und auch das Bürgerzentrum im Herzen der Stadt bringe die gewünschte Bewegung in der City. Nach mehr als 20 Jahren Diskussion über eine neue Stadtverwaltung sei es jetzt endlich an der Zeit, diesen Knoten zu durchschlagen, denn auch den Mitarbeitern sei die Arbeit in dem jetzigen Gebäude, das lediglich in öffentlichen Bereichen aufgehübscht worden sei, nicht mehr zumutbar.
SPD
»Angesichts der Kosten jetzt einen Rückzieher zu machen, halte ich politisch für falsch«, bezieht auch Franz-Josef Henze (SPD) klare Position. Die gesamte SPD-Fraktion stehe geschlossen hinter dem Vorschlag der Verwaltung. Wer keinen Neubau für die Verwaltung am Marienplatz wolle, müsse sagen, wo in Zukunft die Mitarbeiter bleiben sollen. »Selbst wenn wir einen fünften Turm am Hoppenhof bauen, reicht der Platz für die Verwaltung dort nicht aus. Und Platz für einen sechsten und siebten Turm gibt es am Hoppenhof nicht«, sagt Henze. Die bislang ermittelten Kosten seien mit großer Vorsicht berechnet worden, so das kaum mit weiteren Verteuerungen in der Bauphase zu rechnen sei. »Wir müssen beim Bau die Kosten genau im Blick behalten, damit die Bürger nicht das Vertrauen verlieren.«
Linksfraktion
Die Linksfraktion steht dem Stadthausneubau eher zustimmend gegenüber, sagt Fraktionsvorsitzender Reinhard Borgmeier. »Dafür spricht vor allem die städtebauliche Sicht in Hinblick auf die Belebung der Innenstadt. Dafür ist eine möglichst zentral gelegene Verwaltung wichtig und der Standort genau richtig.« Die Gesamtsumme bereite ihm zwar »Schluckbeschwerden«, »aber dies ist ein Projekt für die nächsten 50 Jahre, das die Innenstadt prägen wird. Da macht es keinen Sinn, nach der billigsten Lösung zu suchen«, sagt er.
Den Ratsbürgerentscheid sieht Borgmeier ebenfalls kritisch, auch wenn es grundsätzlich richtig sei, die Bürger einzubeziehen. »Dann muss aber auch eine Alternative genannt werden«, fordert er. Aus seiner Sicht kommt ein Bürgerentscheid jetzt zu spät.
Grüne
Die Grünen werden den Stadthausplänen nicht zustimmen. Die vorliegende Planung sei der Versuch, zu viele Einrichtungen und Ämter unterzubringen, so dass der Bau insgesamt zu groß und zu teuer geraten sei. Der außerdem geplanten Sanierung der Gebäude am Franz-Stock-Platz (Gebäudeteile A und B) wollen die Grünen hingegen zustimmen.
Als 2016 beschlossen worden sei, die städtischen Gebäude am Marienplatz zu überplanen sei die Rede von einem Bürgerzentrum mit weiteren Dienstleistungen und Einzelhandelsflächengewesen, berichtet Fraktionssprecher Dr. Klaus Schröder. »Wir haben damals klargestellt, dass wir keine reine Verwaltungsfassade zum Marienplatz wollen, damit der Platz lebendig bleibt. Nun sehen wir, dass der Neubau Richtung Marienplatz nichts weiter bietet, als den Haupteingang zu einem Verwaltungsgebäude.«
FDP, FBI, FÜR und LKR
Als deutlich zu teuer kritisieren die vier Fraktionssprecher Alexander Senn (FDP), Hartmut Hüttemann (FBI), Stephan Hoppe (FÜR Paderborn) und Johannes Knaup (LKR) die Pläne der Stadt. »Hier soll ein Verwaltungsgebäude höchsten Standards gebaut werden«, sagt Stephan Hoppe. »Aber wenn in einem Staat Paläste gebaut werden, soll der Souverän selbst entscheiden – und das sind hier die Bürger.«
Hartmut Hüttemann (FBI) sorgt sich um die Schuldensituation der Stadt. »Wir sollten nicht vor der Haushaltsverabschiedung Beschlüsse fassen, die die Schulden noch mehr in die Höhe treiben.« Er betont, dass der Zusammenschluss der vier Fraktionen nicht das Ende der so genannten neuen Mehrheit bedeute, die auch SPD, Grüne und Linksfraktion ermöglicht hatten.
»Die Viererkonstellation hat sich für eine Sachentscheidung zusammengefunden.« Johannes Knaup (LKR) wirbt dafür, bei derartigen Großprojekten grundsätzlich die Bürger einzubeziehen. Einen Alternativvorschlag, wie die Verwaltung kostengünstiger untergebracht werden könne, machen die Fraktionschefs nicht. Das sei erst der zweite Schritt.
Sollte es keine Mehrheit für den Ratsbürgerentscheid geben und die Mehrheit im Rat für den Stadthausbau stimmen, wollen FDP, FBI, FÜR und LKR ein Bürgerbegehren gegen diesen Ratsbeschluss anstrengen. Die öffentliche Sitzung beginnt heute um 18 Uhr im Rathaus.
(Westfälisches Volksblatt 14.11.18)