Gericht kippt Sperrklausel für NRW-Kommunalwahlen
Richterspruch in Münster: 2,5-Prozent-Hürde ist verfassungswidrig.
Ministerin Scharrenbach (CDU) bedauert das Urteil
FBI Paderborn gehört zu Klägern
Zu den Klägern gehörte auch die "FBI-Freie Wähler", die bereits seit 1994 im Paderborner Stadtrat sitzt (zurzeit zwei Sitze).
"Für eine Störung der Funktionsfähigkeit des Stadtrats gibt es keinerlei Belege", so FBI-Ratsherr Hartmut Hüttemann.
Münster. Noch im Gerichtssaal knallten bei den kleinen Parteien die Sektkorken. "Das hätte nicht besser laufen können", sagte Michele Marsching, Chef der früheren NRW-Landtagsfraktion der Piraten. Das Verfassungsgericht in Münster hatte gerade die vom Landtag beabsichtigte 2,5-Prozent-Sperrklausel für die Wahl von Kreistagen, Stadt- und Gemeinderäten in NRW für verfassungswidrig erklärt. Die neue Sperrklausel sollte erstmals 2020 gelten.
Zusammen mit sieben anderen kleinen Parteien, darunter Linke und NPD, waren die Piraten gegen die von CDU, SPD und Grünen im Landtag beschlossene Änderung der NRW-Verfassung vor das
Verfassungsgericht gezogen. Die Piraten, für die in NRW insgesamt 108 Vertreter in Räten und Kreistagen sitzen, darunter rund 100 Einzelabgeordnete, wären von der 2,5-Prozent-Hürde besonders
betroffen gewesen.
Das Urteil, das die Präsidentin des NRW-Verfassungsgerichtshofes, Ricarda Brandts, verkündete, fiel eindeutig aus. Danach verletze die Sperrklausel bei den Stadt- und Gemeinderäten sowie Kreistagen
die Gleichheit des Wahlrechts. Das wäre nur gerechtfertigt, wenn es dafür "zwingende Gründe" gebe. Zwar hätte der Landtag für die Verfassungsänderung eine Zersplitterung der Kommunalvertretungen, die
ihre Handlungsfähigkeit beeinträchtige oder gefährde, als Begründung angeführt. Doch diese abstrakte Begründung sei nicht ausreichend "empirisch belegt", so Brandts.
Dagegen steht die 2,5-Prozent-Hürde für Wahlen zu den Bezirksvertretungen und zur Verbandsversammlung Ruhr mit der Verfassung in Einklang. Bei den Bezirksvertretungen allerdings hat sie kaum
praktische Auswirkungen, weil bei maximal 19 Bezirksvertretern mindestens 2,6 Prozent der Stimmen erforderlich sind, um einen Sitz zu erringen.
NRW-Kommunalministerin Ina Scharrenbach (CDU) bedauerte das Urteil. Eine Hürde von 2,5 Prozent hätte zu stabileren Arbeitsgrundlagen in den politischen Gremien in den Kommunen und Kreisen geführt,
sagte sie.
Das Urteil bestätige die rechtlichen Bedenken, die die FDP von Anfang an gegen die Sperrklausel gehabt habe, sagte der FDP-Landtagsabgeordnete Henning Höne. Für die SPD-Landtagsfraktion, die die
Einführung der Sperrklausel in der Zeit der rot-grünen Landesregierung initiiert hatte, erklärte ihr Vize-Vorsitzender, Christian Dahm (Vlotho), man habe die Verfassungsänderung sorgfältig
vorbereitet. Es sei darum gegangen, die Kommunalparlamente vor Zersplitterung zu schützen.
(Neue Westfälische 22.11.17)