Bündnis aus acht Parteien:

Opposition löst CDU im Stadtrat ab

Etat-Verabschiedung auf Eis gelegt – Dreier appelliert an Bürgervertreter

Paderborn(WV).

Die bisherige Opposition im Paderborner Stadtrat hat sich zu einem Bündnis zusammengeschlossen und will die bisher regierende CDU ablösen. Das Bündnis aus sieben Parteien und einer Fraktionslosen fordert Bürgermeister Michael Dreier auf, die für 5. Februar geplante Haushaltsverabschiedung zu vertagen. Dreier hatte im Vorfeld für heute, Montag, zu einer interfraktionellen Runde geladen.

 

Mit einer Mehrheit von 33 Stimmen wollen SPD, Grüne, Linksfraktion, FDP, FBI, LKR, Für Paderborn und die fraktionslose Melis Demir dem Haushalt 2018 ihren eigenen Stempel aufdrücken und ihn gemeinsam verabschieden. Damit wäre die CDU (31 Stimmen), die noch bis Mitte Dezember mit der FDP regiert hat, zum ersten Mal in der Geschichte der Stadt in strittigen Fragen überstimmt.

In einer Pressemitteilung erklärt das neue Bündnis: »Unsere Fraktionen sind sich ihrer Verantwortung gegenüber den Bürgern Paderborns vollkommen bewusst und wollen Schaden abwenden. Deswegen ist es nun an der Zeit, für uns die Initiative zu übernehmen und die Verhandlungen zum Haushalt schnell zu einem positiven Ergebnis zu führen – zum Wohle aller Paderborner.«

 

Die Fraktionen sehen nach eigenem Bekunden genügend Gemeinsamkeiten, um erfolgreich arbeiten zu können. Dabei gehe es aber nicht ausschließlich darum, zügig einen gemeinsamen Haushalt auf die Beine zu stellen. Vielmehr stehe im Fokus, »bedeutende Versäumnisse der Vergangenheit durch tragfähige und zukunftsweisende Lösungen zu ersetzen«, heißt es weiter.

 

Um welche Themen es sich im Einzelnen handeln wird, lässt das Bündnis völlig offen. Vermutlich wird es sich dabei wohl um die so genannten »alten Bekannten« handeln. Dazu zählt die langjährige Forderung der SPD nach einer städtischen Wohnungsbaugesellschaft, mit dem Ziel, für die Bürger günstigen Wohnraum sicher zu stellen. Die CDU hatte einen solchen Beschluss bislang verhindert. Mit dem Bündnis bestünde daher nun erstmals die Chance, eine kommunale Institution ins Leben zu rufen.

 

Das Bündnis macht Bürgermeister Dreier schwere Vorwürfe. Seit dem Bruch der Koalition zwischen CDU und FDP, der sich lange vorher angekündigt habe, habe er nichts getan, um beim Haushalt für eine sichere Mehrheit zu sorgen. Bislang habe Dreier es lediglich geschafft, den dritten stellvertretenden CDU-Bürgermeister Bernhard Schaefer durchzusetzen. »Bei den wichtigen Weichenstellungen für die Stadt hat es von ihm keine Initiativen gegeben, um einen Konsens zu suchen«, heißt es. Daher wolle das Bündnis nun die Initiative ergreifen, um für einen Politikwechsel zu sorgen.

 

»Am Montag werden wir im Rahmen der interfraktionellen Runde dem Bürgermeister einen Zeitplan vorstellen, wie wir gemeinsam mit ihm und der Verwaltung über den Haushalt beraten wollen«, heißt es weiter. Die Fraktionssprecher selbst lehnten gegenüber den Medien Einzelstellungnahmen zu dem Komplex ab.

 

Bürgermeister Michael Dreier reagierte am Sonntag umgehend auf die neuen Entwicklungen und appellierte an den Rat: »Wir haben als Ratsmitglieder die Pflicht, im Interesse der Bürger die Handlungsfähigkeit der Stadt sicherzustellen und dazu gehört als ganz wichtige Voraussetzung ein rechtskräftiger Haushalt.« Er habe ganz bewusst für den heutigen Montag die Spitzen der Fraktionen zu einer interfraktionellen Runde eingeladen und den Haushalt 2018 in den Mittelpunkt der Beratung gestellt. »Ich werde dabei das Gespräch mit allen Beteiligten suchen, damit der Etat schnellstmöglich verabschiedet werden kann«, so Dreier. Dieses Ziel verfolge auch die CDU. »Ich halte einen Beschluss in der nächsten Ratssitzung für dringend geboten. In den kommenden zwei Wochen bestehen bis zur Ratssitzung auch noch ausreichend Gelegenheiten zu Gesprächen sowie Änderungs- oder Erweiterungsvorschlägen, denen wir bei unseren Beratungen im Sinne einer sicheren Finanzausstattung für unsere Stadt offen begegnen«, teilte CDU-Fraktionschef Markus Mertens gestern mit.

 

 

KOMMENTAR

Von wegen, die CDU regiert künftig in Paderborn mit wechselnden Mehrheiten: Erstmals in der Nachkriegsgeschichte der Stadt ist die Union nun vollends in der Opposition angekommen.

Sieben Fraktionen und eine Fraktionslose haben sich zusammengeschlossen, um den Bürgermeister und die CDU wie einen Ochsen am Nasenring durch die Manege zu ziehen.

Endlich können die Parteien ihre Schwerpunktthemen durchbringen, die bislang von der CDU behindert worden sind. Endlich können »die Kleinen« dem Bürgermeister ins Stammbuch schreiben, um was er sich zu kümmern hat – zum Beispiel um den Neubau des Bahnhofs oder um eine städtische Wohnungsbaugesellschaft.

Wie lange dieser Flickenteppich aus ideologisch sehr unterschiedlich geprägten Parteien und Initiativen halten wird, ist derzeit mehr als ungewiss.

Auch wenn man von Gemeinsamkeiten spricht, so verzichtet man tunlichst auf die Formulierung »Koalition«. Die Revolution ist angezettelt.

Jetzt muss die neue Mehrheit zeigen, was sie kann – vor allem gemeinsam.

Ingo Schmitz

 

(Westfälisches Volksblatt 22.01.18)