Unter Dach und Fach

Paderborner Debatte: Nur CDU und FDP stellen sich hinter den Haushaltsentwurf für 2016. Eine der großen Unbekannten ist immer noch die Zukunft der Stadtverwaltung

 

Mit den Stimmen von CDU und FDP gegen die der anderen Fraktionen hat der Rat der Stadt gestern Abend den Haushaltsentwurf 2016 genehmigt. Er ist gekennzeichnet durch höhere Steuern und Gebühren. Bürgermeister Michael Dreier und Finanzdezernent Bernhard Hartmann gelang es, das Ziel eines Defizits von unter 10 Mio. Euro sogar auf 4,1 Mio. zu drücken. Zusätzliche Kosten wird auf jeden Fall die Entscheidung zur Stadtverwaltung verursachen. Ein Nachtragshaushalt gilt als sicher. Eigentlich hatte bis gestern auch ein Ergebnis der Kaufverhandlungen über die Orga-Immobilie am Hoppenhof vorliegen sollen. Es wird nun für Januar erwartet. Von DIP-Sprecher Reinhard Borgmeier wurde gestern sogar in Zweifel gezogen, ob überhaupt noch eine Verkaufsabsicht bestehe. Die SPD kündigte an, ein Wertermittlungsgutachten des Gutachterausschusses für die Immobilie zu beantragen.

 

CDU-Fraktionssprecher Markus Mertens verteidigte die Gebührenerhebungen als „notwendig und maßvoll“. Besonderes Augenmerk gelte dem Wirtschaftsstandort. In diesem Zusammenhang nannte er die vom Bürgermeister angestoßene Gründungsoffensive und die beabsichtigte Umstrukturierungder Wirtschaftsförderungsgesellschaft. Mit den Baumaßnahmen in der Innenstadt bringe man die Stadt ein gutes Stück voran. Die Spirale im Personalbereich der Verwaltung, wo 2016 fast 100 Stellen neu geschaffen werden, dürfe „so nicht weiter nach oben gehen“. Es sei allerdings wichtig, „vor allem im Bereich Kita und Schule nicht nur in Beine, sondern auch in Steine zu investieren“. Optimistisch sei er für die neuen Stadtwerke; die Kunden kämen. Auch die Flüchtlinge waren Thema: „Wir können und müssen an unsere Grenzen gehen und oft auch darüber hinaus.“

 

́SPD-Fraktionssprecher Franz-Josef Henze schob das gegenüber der Einbringung leicht verbesserte Haushaltswerk auf die „Metholde Rasenmäher“ beim Sparen, vor allem aber deutlich verbesserte Schlüsselzuweisungen. Eine weitere moderate Anhebung der Gewerbesteuern wie von der SPD gefordert habe schon 2013 auch die Verwaltung vorgeschlagen. Die Verwaltung am Hoppenhof unterzubringen sei ein städtebaulicher Kardinalfehler. Skeptisch äußerte sich Henze zu einer Verlegung der Zentralstation an die Westernmauer und sprach sich für eine aktivere Wohnungswirtschaft und neue Vergaberichtlinien für städtische Baugrundstücke aus. Es werde an vielen falschen Stellen gespart.

 

Sprecherin Brigitte Tretow-Hardt kritisierte, dass Projekte in Paderborn oft mehr als zehn Jahre dauern, bis sie entschieden und umgesetzt werden. Turnhalle Bonhoeffer-Schule, Bahnübergang Rosentor, Klimaschutzkonzept, Lärmaktionsplanung: „Mit den vielen Projekten ist die Verwaltung überfordert“, sagte Tretow-Hardt. Es gelte Prioritäten zu setzen, unbedingt zum Beispiel am Rosentor. Die zentrale Aufgabe für die nächsten Jahre sei aber die Integration der Flüchtlinge. Ein entsprechendes Konzept müsse in Kooperation mit freien Trägern, Kirchen und Verbänden dringend erarbeitet werden. Was im Haushalt fehle, seien Investitionen in räumliche Erweiterungen in den Kindergärten. Darüberhinaus sei eine Förderung des sozialen Wohnungsbaus unerlässlich.

 

Der Sprecher der Demokratischen Initiative Paderborn, Reinhard Borgmeier, zitierte „als bekennender Atheist“ das Matthäus-Evangelium, um für eine freundliche Aufnahme von Flüchtlingen zu plädieren, einhergehend mit der Forderung unter anderem nach mehr Personal in der Flüchtlingshilfe und sozialem Wohnungsbau. „Diese Stadt wird sich verändern, wie sie es natürlich immer getan hat. Wir sehen vor allem die großen Chancen für unsere Stadt“, so Borgmeier. Er lehnte insbesondere die Steigerung bei den Abfall- und Straßenreinigungsgebühren ab und wies auf eine sich mit anderen Steuererhöhungen summierende Mehrbelastung von an die 100 Euro im Jahr für viele Haushalte hin.

 

Sprecher Dominic Gund-Gundlach wertete das gesunkene Haushaltsdefizit als Erfolg von CDU und FDP. Von 2010 bis 2017 summiere sich das Einsparvolumen auf 79,6 Millionen Euro. Er warf der Opposition vor: „Wenn Ihre Haushaltsforderungen in den letzten Jahren mehrheitsfähig gewesen wären, wäre Paderborn längst pleite.“ Gundlach versprach: „Wir werden auch in Zukunft alles daran setzen, wenn nötig auch mit wenig populären Entscheidungen, dass unsere Stadt das Heft des Handelns behält.“ Im Rahmen der Neuausweisung des Baugebiets „Springbachhöfe“ sprach er sich für ein Gesamtkonzept im Vorfeld aus, um Fehler zu vermeiden. Auch in Sachen Bahnhofsumfeld gelte es, „innovative Ideen zeitnah zu entwickeln“.

 

FBI-Sprecher Hartmut Hüttemann legte ein Acht-Punkte-Programm vor, mit dem seiner Meinung nach sogar eine schwarze Null im Haushalt 2016 erreichbar wäre. Dazu gehören ein Prozent pauschal weniger für Sach- und Dienstleistungen der Verwaltung (770.000 Euro), den Personalkostenansatz um weitere 450.000 Euro reduzieren, 500.000 Euro zusätzlich aus der Gewinnausschüttung des Stadtentwässerungsbetriebes, Zweitwohnungssteuer, höhere Vergnügungssteuer, Anhebung der Gewerbesteuer auf das erwartete Niveau der fiktiven Hebesätze 2017, höhere Grundsteuer und eine erwartbare Reduzierung der Kreisumlage.

 

Hans-Willi Knaup (Allianz für Fortschritt und Aufbruch, ALFA) konstatierte eine „bedrohliche Schieflage“ des „großen Tankers Paderborn“. Nötig sei eine realistische Planung der Finanzen für eine menschenwürdige Unterbringung und Integration der Flüchtlinge, die an anderer Stelle Einsparmöglichkeiten aufzeige. Knaup mahnte grundsätzlich zu Sparsamkeit: „Paderborn hat kein Einnahmeproblem, sondern ein Ausgabenproblem.“ Es gelte, sich auf wirklich Wichtiges zu konzentrieren. Dann sei – vorausgesetzt die Wirtschaft gerate nicht ins Stottern – bis 2020 eine Konsolidierung der Finanzen wie auch die Integration von „x-tausend Asylantragstellern und Flüchtlingen“ nicht

unmöglich.

 

(Westfälisches Volksblatt 18.12.2015)